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Wir leben in Stämmen, wo Zwietracht und Neid

Vom Rand der Geschichte nach Brudermord schreit,

Wir träumen in Wäldern mit dichtem Gezweig,

Im Nebel und unter der Rauhnacht Geschweig,

Wir herrschen in Mären, die fern einer singt,

Der nie in den Schein unsrer Sonnfeuer dringt,

Und spät ward ein Name uns Makel und Lohn,

Doch schon unser Werden war immer Passion.

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Der Limes der Römer durchschnitt unser Land,

Der West und der Süd ging dem Feinde zur Hand

Und kaufte von Freien mit gutem Gewinn

Den Bernstein und mancherlei Hausrat aus Zinn,

Doch auch die Gezähmten im römischen Staat,

Sie sannen auf Abfall und schnöden Verrat,

Erwacht im Cherusker der alte Teuton,

Wird Varus das Opfer der deutschen Passion.

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Wer Grauen nicht meidet, dem stehts zu gebot,

Ist Tod nicht mehr Leiden, wird Leidenschaft Tod,

Wer nah bleibt dem Quell, der das Leben gebiert,

Lacht über den Gecken, der schamvoll sich ziert,

Barbar, was als Schimpf und Verachtung gedacht,

Entpuppte sich rasch als geschichtliche Macht,

Und bald wird Byzanz seine Heldenlegion

Erkennen in Stämmen der deutschen Passion.

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Die Inbrunst, die nach dem Erlöser sich sehnt,

Erstickten die Pfaffen und drückender Zehnt,

Wer frei ist, der duldet nicht Steuer und Zoll,

Stößt Schranzen aus Fenstern und zeigt seinen Groll

Mit Waffen, die bar aller Zierde und Weih

Der ländliche Alltag ihm steuert herbei,

Und hilft gegen Plündrer nur Reformation,

Erfährt auch Herr Tetzel die deutsche Passion.

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Wir sind in die Mitte Europas gestellt,

Wir einen das Kleine der Größe der Welt,

Das göttliche Recht, im Gemächte des Manns

Verbürgt, macht uns einig und fruchtbar und ganz,

Von Welschen und Schweden zur Walstatt erkorn,

Hat Deutschland ein ganzes Jahrhundert verlorn,

Doch ziehn die Besatzer mit Flüchen und Drohn,

So bleibt doch das Deutschsein für immer Passion.

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Denn ernst nimmt der Deutsche die Lieb, den Streit,

Den Glauben, das Recht und Gerechtigkeit,

Er duldet es nicht Phrase, Theater, Zierrat,

Er fordert die Treue, die Ehre, die Tat,

Er hasst eine Ordnung, bequem und korrupt,

Sie gilt ihm als Teufel und Drache, geschuppt,

Bis Siegfried, Sieglindes erbsündiger Sohn,

Dem Untier Bereitet die deutsche Passion.

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In Frankreich verspielt der König den Kopf,

Als Freigeisterei als gefährlicher Kropf

Sich auswuchs, wo Spiel und der Unernst am Hof

In Albernheit punkte, für keine zu doof,

Der Mühe abhold und vom Fordern sich keck erheben,

Erfand ein Regime seinen Zweck,

Doch fand hier auch mancher begeisternden Ton,

Verharrten die Deutschen doch in der Passion.

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Da reiner Verbrauch an die Endlichkeit stößt,

So wurden als nächstes die Nachbarn erlöst.

Dem Reich, das von Rom einst den Heiligen Stab

Forttrug, gab der Korse eine ruhmloses Grab,

Bis endlich die Preußen und Bismark gewitzt

Ertrotzten, dass Deutschmann im Vaterland sitzt,

Und Türme un Male, gehuldigt dem Thron,

Erschienen als Zeugen der deutschen Passion.

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Die deutschen Erfolge, die Flotte, das heer,

Ertrugen die Angeln nur knirschend und schwer,

Sie schufen Allianzen, zu stoppen den Fleiß

Des Deutschen, der ärgerlich viel kann und weiß,

Sie forschten nach Schwächen in Reiches Gebälk,

Sie stützen, was brachliegt, was morsch ist un welk,

Bis Kriegslust Europa berauschte wie Mohn,

Für Deutschland der Weg in die ärgste Passion.

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Denn nicht nur versagt blieb dem Reiche der Sieg,

Der Frieden war schlimmer als jeglicher Krieg,

Im Osten zerstückelt, im West besetzt,

Eine Staat Würde un Hunger zuletzt,

Ein Mann und eine indisches Lebenssymbol,

Sie stiegen und wurden der Deutschen Idol,

Was diese versprachen, als hätten sie's schon,

So träumten die Deutschenen in ihrer Passion.

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Doch tiefer noch als beim ersten Mal fällt,

Der Deutsche im Wahne, den Hass aus der Welt

Mit Waffen zu kehren, mit Gefolgschaft allein,

Als könne der Führer der Gottessohn sein,

Und Kleinmut besetzt was der Größenwahn ließ,

Und Deutscher ist nun, wer Zerknirschung bewies,

Den Deutschen ist nun Abscheu un Hohn,

Sie spotten ihr Dasein und ihre Passion.

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Wie lang soll das gehn? fragt sich mancher und glaubt

Man hätt den Verstand allen Deutschen geraubt,

Doch sammeln sich fern vom Getön der Parteien

Geächtete, reif, wieder Deutsche zu sein.

Sie rüsten sich, wecken den Kaiser im Kyff,

Der tiefer als Spätre nach Heiligkeit griff,

Die Pfalzen vereinte im Burg-Oktagon

Als Walstatt des Geistes und deutscher Passion.

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Von Thronstahl . . . Deutsche Passion . . .

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